Alltagshelden

Der Therapeut empfiehlt immer wieder Alltagshelden. Die würden einem in jeglicher Situation zur Seite stehen – mit Rat und Tat. Die sind platzsparend, transportabel, waschbar, pflegeleicht und bügelfrei. Jeder sollte seine haben.

„Ob jemand aus der Runde schon einen hätte, den er immer dabei hat?“ (die Frage war jetzt nicht speziell auf Männer ausgerichtet).

Ich sage unverfänglich „Balu der Bär“. „Der wird oft genannt“, sagt der Therapeut. Ich schwanke aber eigentlich zusätzlich zwischen Puh der Bär und John Wick. Diese Kombination finde ich gar nicht so schlecht. Während Puh der Bär noch überlegt, wie er den Honig auf die Früchte der Gemütlichkeit Balu des Bären kleckert, putzt der schwarze Mann John Wick schon ein paar sorgenbereitende Gesellen aus meinem Leben. Gar nicht so doof. Ich müsste nur mal bei der Amazone nachfragen, ob sie ihr Liefersortiment nicht etwas mehr an John Wick ausrichten könnte. Meine Ohren hören den Therapeuten etwas von gewaltfreier Kommunikation faseln.

„Was will ER denn?“, fragt der Umsetzer. „Unser Freund John warnt einmal und handelt dann erst. Also total konsequent!“

Der Perfektionist ist begeistert. Besonders von Johns Trefferquote. Der Harte findet seinen Kampfstil geil und veranlasst den Körper, gleich mal ein paar „coole moves“ auszuprobieren. Der Körper lässt sich die Hände vors Gesicht schlagen. Etliche Muskelgruppen reagieren entsprechend sauer auf die unvorbereitete Aktivität. Die Gruppenteilnehmer können die „coolen moves“ von John leider nicht erkennen. Sie eilen mir zur Hilfe in der Annahme, dass ich unregulierbare Muskelkrämpfe hätte und außer Stande bin, mich weiter adäquat zu bewegen.

Der Kontrolletti versucht den Urzustand des Körpers vor John Wicks moves, wiederherzustellen. Der Harte findet das kacke, weil sein Verbündeter nun nur noch eingeschränkt handlungsfähig ist. Der Ironische zetert: „Wer John Wick wünscht und Winnie Puh und Balu den Bären bekommt, der muss schon eine ganz arme Sau sein.“ Zum Glück hat er den Sarkastischen nicht dabei. Auf dessen Meinung bin ich ja überhaupt nicht scharf.

Der Einsame schlägt, seinem Thema gleich, den Kämpfer Kwai Chang Caine aus der Serie Kung Fu, vor. Der kam jedes Mal barfuß durch die Wüste in eine neue Stadt, in der er sich als Außenseiter behaupten musste. Wenn bei den üblicherweise bekloppten Einwohnern, Worte nicht zogen, musste eben das Kung Fu helfen. Die anderen Insassen gähnen.

Der Harmoniesuchende schlägt „Sissi“ vor – alle anderen Insassen stürzen sich auf ihn. Der Zielstrebige verachtet diese ganze Rumeierei und beauftragt den Umsetzer, endlich zu liefern. Doch auch der hat diesmal ungeahnte Schwierigkeiten, den neu ausgeschriebenen Posten des Alltagshelden zu besetzen.

Der Ja-Sager mischt sich mal ein und leiert: „Ja, wir werden schon einen passenden Alltagshelden finden, nun gebt mal alle Ruhe!“

Ich –bin –nicht-gut-genug wirft ein, dass wir nie den richtigen finden werden. Der Zweifler knallt wie im Flipperspiel zwischen den beteiligten Parteien hin und her. Wir finden, wir finden nicht…

Der Ängstliche mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn wir ohne – also ganz ohne – Alltagsheld unterwegs sein müssen. Ein sinkendes Schiff, Besatzung bereits über Bord, als letzter springt gerade der Kapitän… Der Realist stützt den schwankenden Ängstlichen mit dem Hinweis, dass wir bisher ja auch ohne ausgekommen sind.

Der Kritiker kann sich: „Man sieht wahrhaftig auch wohin uns das geführt hat!“ nicht verkneifen. Der Fürsorgliche besteht auf Unterstützung, damit wir künftig unsere Situation angemessener bewältigen. Die Kreative schlägt zur‚ Besänftigung des Fürsorglichen und des Harmoniesuchenden vor, einen „Flextagshelden“ zu besetzten. Bei diesem Modell könnte jedes innere Kind seinen Helden passend zur Situation wählen und dessen Rat einholen. Der Gerechtigkeitsfanatiker findet den Vorschlag mehr als passend. Nicht mal der notorische Nörgler hat was zu nörgeln und der Anerkennungsjunkie wird das Monitoring übernehmen.

Bei so viel Einigkeit graust es mir vor dem nächsten Konflikt…