Nachtaktiv

Was man tagsüber erlebt, muss man des Nachts verarbeiten. Das kann man auch bei den Tieren beobachten. Die Hunde zum Beispiel liegen meist platt auf der Seite, die Beine jedoch zappeln und rennen wie verrückt und zusätzlich werden mehr oder weniger laute Quietsch-, Knurr- und Jaulgeräusche abgegeben.

Oft überlege ich dann, von welchem Teil des Spaziergangs sie träumen. Vom Kräftemessen mit dem Konkurrenten, von der versuchten Jagd nach dem Hasen?

Bei mir gestaltet sich das, Dank meiner Insassen, nicht so einfach. Sobald ich im Bett liege und das Licht erlischt, geht es los. Zuerst meldet sich der Fürsorgliche. Er schaut liebevoll nach, ob ich auch weich und bequem liege. Ob ich gut zugedeckt bin, nicht friere. Fragt nach ob ich doch noch etwas benötige, was er bis eben nicht geliefert hat. Nein, danke. Alles bestens. Der Nörgler hat sich offensichtlich bisher nicht zur Ruhe gebettet, denn er jammert, dass das Kissen falsch im Genick liegen würde und eine Falte im Laken stört den Rücken. Der Nörgler und der Kritiker werden in der Nacht zur Prinzessin auf der Erbse. Sie veranlassen eine Drehung nach rechts, ein Rutschen nach links, lassen das Kopfkissen erneut verschieben.

Zwischendurch denkt der Genießer, dass er nun die Ruhe der Nacht, das warme, gemütliche Bett genießen könne. Weit gefehlt. Gedanken tun sich auf. Erst die harmlosen, wie: „ Hast du heute alles erledigt oder was vergessen?“; „Du musst morgen dran denken, dass…“

Das Sonnenkind schiebt sich dazwischen und haucht: „rest in peace“, vergisst aber dazu zu sagen, dass es nicht den ewigen Frieden in der dunklen Kiste meint, sondern nur eine schöne Nachtruhe, in der wir uns an die netten Begebenheiten des Tages erinnern sollen.

Der Perfektionist, der Streber im Wörterverdrehen, erwacht und nutzt die Gunst der Stunde. Er ist der Ansicht, dass es „rest in pieces“ heißen müsste, da wir ja viele Insassen, also folglich viele Teile sind.

Der Einsame hält vom Teilen schlichtweg gar nichts, denn er ist ja bereits alleine. Wie soll er sich da noch zerteilen?

Die Kreative ist der Teilerei überdrüssig und schickt ihrerseits ein paar Schafe ins Rennen. Nummer 1 hopst über den Zaun, hops Nummer 2, hops Nummer 3, usw.

Der Kontrolletti zählt gewissenhaft mit, dass ihm auch ja keines fehle.

Der Zweifler zweifelt an der Zählfolge – ob der Kontrolletti nicht hätte bei null Schafen beginnen müssen zu zählen.

Die aufkommende kontroverse Diskussion der beiden wird vom Antreiber unterbrochen, der penetrant darauf besteht, dass die Zählung fortgesetzt wird, und zwar zackig. Es müssten viel mehr Schafe über den Zaun springen und vor allem viel schneller, damit der Körper endlich schlafen könne.

Was wiederum den Ängstlichen auf den Plan ruft, der sich sorgt, ob die Schafe wohl unverletzt bleiben, wenn sie in solchem Affentempo über den Zaun springen sollen.

Die Kreative meint zum Ängstlichen, dass es gar kein Problem wäre die Schafe in Affen zu ändern, damit sei das Verletzungsrisiko gebannt.

Der Nörgler besteht weiterhin auf den Schäfchen, die wattewolkengleich alle Sorgen mit in den Abgrund stürzen würden.

Der Harte fragt den Nörgler, ob er noch ganz dicht sei, mehr als drei Tonnen Sorgenscheiß auf Wattewolkenschafe zu setzen. Die würden davon ganz schwarz werden. Was schwarze Schafe so anrichten, weiß doch ein jeder.

Der Harmoniesuchende, der eine Eskalation im Schäfchenstreit befürchtet, regt den Körper erst nochmal zum Pinkeln an. Dieser erhebt sich missmutig, folgt aber gehorsam. Na dann kann er auch gleich noch einen Schluck Wasser trinken und das Fenster ankippen.

Der Fürsorgliche beginnt sein Procedere von vorn als der Körper wieder im Bett liegt. Okay, denkt der Verstand, jetzt könnten wir es geschafft haben, denn die Augen klimpern schon, die Ohren bitten die Hände, einige Watteschafe in sie zu stopfen.

Auch Kritiker, Nörgler und Kontrolletti beginnen ihr Spiel erneut. Ich drehe mich im Bett hin und her. Also wiederum Licht an, Körper raus aus dem Bett an den Schreibtisch, Tagesgeschichte schreiben.

Die Gedanken sind begeistert von ihrer Taktik, denn sie hat gefunzt. Endlich ist die Geschichte zu Papier gebracht. Der Körper ist sauer. Ein Blick auf die Uhr verrät das baldige Ende der Nacht. Letzter Versuch des Körpers, sich die Nachtruhe aller Insassen einzufordern.

Abermals ins Bett legen, neuerlich der Fürsorgliche, der mit der Zeit immer liebloser wird und in schöner Reihenfolge auch alle anderen. Doch zu guter Letzt sagt der Verstand: „Wenn jetzt nicht sofort absolute Ruhe im Karton ist, dann ja dann hole ich JOHN WICK!“

Na dann gute Nacht!