Abreise – Abschiedsrede

Morgen reise ich in aller Herrgottsfrühe ab, deshalb verabschiede ich mich heute von Euch. Ich fahre vorerst zurück von Mittelerde Scheidegg zum Kampfstern Galactica Berlin. Doch im Gegensatz zur Anreise bin ich bei der Rückkehr nicht mehr unbewaffnet sondern habe viele starke Waffen von hier mitgenommen. Ich verabschiede mich in der guten Tradition meiner Abschiedsvorfahren zuerst  bei der Klinik, die mit all ihren großen und besonders den kleinen Rädchen eine Atmosphäre schafft, in der jeder Zeit hat, nur für sich zu sorgen. Danke dafür. Ein großer Dank geht auch an meinen Therapeuten, dem ich beide Ohren abgekaut habe und mich jetzt wundere, wie er die Maske tragen kann. Er hat glücklicherweise verstanden, dass ich in Bildern denke und mir eine sicheren Schutzraum, sowie einen sehr mächtigen Schutzzauber geschenkt! Und wie immer auch der Dank an die restlichen Insassen und den Abgereisten für gute Gespräche und tolle Spaziergänge. An Dajana, die mir DAS Buch in die Hand drückte, mit dem alles begann. Dem „Klinikkindergarten“, der mir längst nicht nur mit Technik- und Medientipps zur Seite stand. Heidrun, Josch und Dieter für wahnsinnig viel Herzenswärme to go, Merle, die uns mit ihrem „warum“? so lustige Abende bescherte. Meiner Lektorin Elisabeth für die wunderbaren „Sieben-Brücken-Touren“ über den Bach. Mein besonderer Dank geht  an Hannah, die mir in den acht Wochen eine tolle Nachbarin war und es immer verstand das Kind aus mir herauszulocken. Zuletzt der größte Dank an Chris, den ich Lord Vader taufte, weil er bei der Anreise jede Menge dunkler Macht mitbrachte. Deine Metamorphose zum liebenswerten Sonnenschein war genauso unglaublich, wie Deine Feedbacks treffend! Deine fantastische Unterstützung und das Augenzwinkern haben mich dazu gebracht, aus mir heraus in die Welt zu gehen.

Achja,

Wir sind übrigens Sabine

Und nein, wir haben keine Persönlichkeitsstörung. Wir waren wegen Depressionen und Trauma hier.

Als wir ankamen, war ich wie Tommy Ohrner als Timm Thaler, die älteren unter euch kennen den vielleicht noch, der der sein Lachen verkauft hatte oder aber wie ein Dampfdrucktopf, der bereits seinen Überdruck herauspfiff und dessen letzten Pfiff ich immer noch nicht hören konnte. Doch dann drangen sie in mich. Die Freundlichkeit, die Hilfsbereitschaft, das Gesehen werden mit allem, was man im Gepäck hat. Es kam die Erkenntnis über mich selbst dazu. Sehr geholfen haben mir dabei viele Anregungen von hier, doch dran erinnert hat mich immer wieder die Postkarte aus meiner zweiten Woche – „Sei du selbst“, stand da; „alle anderen gibt es schon“. Das habe ich beherzigt und damit so viele echte neue Freunde hier gefunden, dass es für zwei Leben reicht.

Doch das aller-, allerwichtigste, das ich hier gefunden habe, war der Sinn in meinem Leben. In meiner ersten Therapiestunde sagte ich, dass ich die Kinder beneide, die mit fünf Jahren wissen, dass sie Feuerwehrmann werden wollen und das dann auch werden. Mir fehlte dieses Ziel. Bis mich hier ein Buch aus meinem Dornröschenschlaf riss. Die Erkenntnisse daraus, musste ich,  innerlich getrieben, hier vorlesen. Da wo ich jetzt stehe. Was dann passierte, kam für mich völlig überraschend. Ich habe hier eine neue Liebe gefunden. Die Liebe zu den Wörtern. Sie rauschen durch meinen Kopf, wie auf einer Achterbahn, drehen sich wie ein Karussell und setzen sich schlussendlich in einer Geschichte zur Ruhe. Das sind die Geschichten, die ich schon vielen von euch vorgelesen habe. Und die solchen Anklang fanden, dass es mich umgehauen hat.

Der Sinn meines Lebens hat mich gefunden, mit einer unerwarteten Wendung. Ich brauche kein Heilpraktiker, Arzt oder ähnliches zu werden, um den Menschen zu helfen. Ich muss nur zuhören und schreiben.

Um in Dr. Maurers Glücksvortrag zu bleiben:

„Die Schnittmenge aus Freude, Talent und Sinn ergibt Glück“

und das kann ich zu hundert Prozent bestätigen.

Ich werde mein Glück pflegen, düngen und gießen, auf dass es mir recht lange erhalten bleibt. Wie bei jedem zarten Pflänzchen, bekommt es ganz sicher auch mal ein welkes Blatt. Das ist nun mal so im Leben. Ich werde mich dann freundlich und gütig bei ihm verabschieden und für die Zeit bedanken, die es für mich da war.

„Boa, jetzt ist aber mal Schluss mit dem Gesülze“ drängelt der Nörgler in mir, „wie lange sollen die sich denn noch dein Gewäsch antun!“

Achja, ihr seid ja auch noch da. Deshalb heißt es ja auch: „Wir sind Sabine“.

Der Kontrolletti meint, wir sollen mal hinne machen und in der Zeit bleiben, denn nach uns wollen sich auch sicher noch welche verabschieden. Der Kritiker schreitet ein. Mit was für einer Sauklaue wir wiedermal den Text verfasst hätten, wäre unter aller Kanone. Die Augen hätte echt Schwierigkeiten alles so zu lesen, dass der Mund es häppchengerecht raushauen kann. Der Anerkennungsjunkie lugt aus seiner Ecke hervor. Er will unbedingt schon vor Ende der Lesung wissen, ob auch wirklich alle gelacht hätten, Spaß haben und unsere Ausführungen entsprechend würdigen! Der Zweifler bahnt sich seinen Weg nach vorn: “Was, wenn es nicht gefallen hat, alle nur aus Höflichkeit klatschen!“ – „Das wäre doch nicht schlimm“, meldet sich der Ängstliche. „Was, wenn wir jetzt angreifbar sind, mit all dem Persönlichen, was wir hier preisgeben?“ Ich-bin-nicht-gut-genug findet, dass wir mal wieder komplett das Thema verfehlt haben und kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Die Kreative schiebt sie beiseite. Einen schönen Text haben wir wieder mal auf die Reihe gekriegt! Der Perfektionist beginnt die Wörter zu zählen, die Seitenzahlen festzustellen, die Schrift zu begutachten. Schnell kommt noch der Zielstrebige raus und sagt: „He, wenn ihr uns mögt, dann findet ihr uns auf instagram. Dort heißen wir sabineskopfkarussell. Dort erfahrt ihr auch, wenn unser Blog startet, der den gleichen Namen trägt.“

Jetzt hält sie es nicht mehr aus und überrennt alle anderen. Die Lebensfreude schmettert: „Ich bin wieder da!“

„Ich lebe!“